Für das Menschenrecht auf Frieden und auf soziale Sicherheit

Wir dokumentieren den Redebeitrag von Gisela Kehrer-Bleicher vom Tübinger Friedensplenum auf der Tübinger Kundgebung zum inernationalllen Tag der Menschenrechte am 1. Dezember 2024:


Im Artikel 22 der Menschenrechte ist das Recht auf soziale Sicherheit festgeschrieben: „Jeder Mensch hat Anspruch darauf, in den Genuss der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen, die für seine Würde und die freie Entfaltung seine Persönlichkeit unentbehrlich sind.“

Dieses Recht wird in den von Kriegen betroffenen Ländern und auch hier in Deutschland durch den Umbau auf Kriegstüchtigkeit und Kriegswirtschaft enorm beschädigt. 90 Milliarden für den Kriegshaushalt im Bund gehen zu Lasten aller zivilen Sektoren, von Bildung, Gesundheit, Sozialem. Notwendige Gelder für den Erhalt der Infrastruktur, für Daseinsfürsorge und für Klimaschutz werden dem Haushalt entzogen, im Krieg in der Ukraine verbrannt und füllen die Kassen der Rüstungskonzerne.

Der Umsatz der Rüstungskonzerne weltweit ist im vergangenen Jahr auf 632 Milliarden Dollar gestiegen (laut Greenpeace, Dezember 24). Die Gewinne von Rheinmetall u.a. gehen durch die Decke. Fast im Wochentakt machen EU und Bundesregierung neue Zusagen für weitere Waffenlieferungen für den Ukrainekrieg. Anfang Dezember hat Bundeskanzler Scholz der Ukraine erneut Rüstungsgüter für 650 Millionen Euro versprochen. Die gescheiterte Reste-Ampel möchte noch schnell vor der Bundestagswahl weitere Rüstungsprojekte in Milliardenhöhe im Haushaltsausschuss durchwinken lassen. Kriegsminister Pistorius will noch sein Lieblingsprojekt anschieben: 4 neue U-Boote die uns 4,5 Milliarden kosten werden. Die Rüstungsfirma Hensoldt hat schon mal Urlaubssperre nach Weihnachten angeordnet, „um die Masse an neuen Aufträgen noch in das aktuelle Geschäftsjahr mitnehmen zu können.“ Noch-Wirtschaftsminister und zukünftiger Kanzlerkandidat Habeck will vor der Neuwahl schnell noch ein neues Sondervermögen beschließen lassen, damit auch zukünftig die Profite der Rüstungskonzerne sprudeln.

Die Zeitenwende und die fortschreitende Militarisierung im Innern werden zum Angriff auf unsere Gesundheitsversorgung, auf unsere Bildung und den Ausbau der Verkehrswende. Bei einem Investitionsstau von 600 Milliarden wird jeder Euro für den Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und des Sozialstaats benötigt. Kaputte Brücken werden nicht mehr repariert, sondern gesperrt. Wegen der Unterfinanzierung des Gesundheitswesens müssen wir höhere Krankenkassenbeiträge zahlen, bei der Förderung von Inklusion wird gekürzt und die den Ärmsten werden mit Einschränkungen beim Bürgergeld bestraft und gleichzeitig noch als faul beschimpft, während die Mittel für Arbeitsförderung ebenfalls gekürzt werden. Kriegstüchtigkeit und fortschreitende Militarisierung fördern die soziale Spaltung. Mit dem Ampel-Aus ist auch das Ziel Kinderarmut zu mindern und mit der Kindergrundsicherung etwas Erleichterung für Familien zu schaffen in weite Ferne gerückt. Kriegstüchtigkeit und fortschreitende Militarisierung fördern die soziale Spaltung. Soziale Kälte herrscht in unserm Land und nach unten wird getreten. Nach der Bundestagswahl ist nur Schlimmeres zu erwarten. CDU-Generalsekretär Linnemann drohte uns bereits: „Wer arbeiten kann, muss arbeiten gehen, ansonsten gibt´s keine Sozialleistungen.“

Die Lasten des Kriegshaushalts werden nach unten verteilt. An unterster Stelle stehen die Kommunen, die die Folgen von Kriegstüchtigkeit und Militarisierung in voller Wucht treffen. Hier ist der Sanierungsstau am höchsten, sie müssen die sozialen Verwerfungen, die Folgen von zunehmender sozialer Ungleichheit auffangen und werden deshalb mit höheren Ausgaben für Soziales und Jugendhilfe belastet. Der sprunghafte Anstieg der kommunalen Defizite hat seine Ursachen vor allem in der forcierten Kriegs- und Krisenpolitik des Bundes, über die Kommunen werden die Folgen auf die Bevölkerung abgewälzt. Marode Schulen und Sporthallen, Schließungen von Bädern, Bibliotheken, Streichung von Zuschüssen für soziale und kulturelle Initiativen sind das Ergebnis.

Wir brauchen Umverteilung: Wenn Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit dem zivilen und Sozialbereich nicht länger die fehlenden Mittel entziehen würden, könnten Krankenhäuser neu gebaut, satt geschlossen und mit dem Bau von Sozialwohnungen die Wohnungsnot effektiv bekämpft werden. Mit nur einem Kampfpanzer weniger von den 105 neuen Leopard 2, die die Bundesregierung vor einigen Wochen bestellt hat, könnten in 7 Städten Freibäder gebaut werden. Mit nur einer eingesparten Flugstunde des Eurofighters könnte eine Lehrerstelle für ein Jahr lang finanziert werden!

Die Finanznot der Kommunen macht auch vor Tübingen keinen Halt. Angesichts millionenfacher Haushaltsdefizite werden im Kreistag und im Gemeinderat gerade Spar-Haushalt diskutiert, die für Tübingen massive Einschnitte bringen werden. OB Palmer schlägt vor anstehende Sanierungen und notwendige Investitionen zu verschieben. Dies betrifft Mensen und Erweiterungen von Schulen, Sportplätze, Spielplätze und den ÖPNV. Die angekündigten Streichungen des Angebots im TüBus sind kontraproduktiv für Erreichung der Ziele im Klimaschutz und für die Verkehrswende.

Eines hat OB Palmer richtig erkannt, als er vor wenigen Tagen im „Morgenmagazin“ sagte: „Die Illusion, dass der Krieg in der Ukraine uns nichts kostet … das wird nicht gut gehen. Es wird jeden von uns treffen, wir müssen dafür auch persönlich zahlen.“

Aber genau deshalb sagen wir: wir wollen nicht länger für Kriege in der Ukraine, in Gaza, im Libanon, für Waffenlieferungen und für die Profite der Rüstungskonzerne zahlen! Wir wollen soziale Sicherheit statt Kriegstüchtigkeit!

Die Welt braucht keine neue Waffen, sondern Rückkehr zu Diplomatie und Friedensverhandlungen und soziale Sicherheit für alle!

Gisela Kehrer-Bleicher
(für das Friedensplenum Tübingen)

Nachtrag: Am selben Tag veröffentlichte die Stadtverwaltung Tübingen eine Kürzungsliste mit 230 Sparvorschlägen, die der Gemeinderat im Januar 2025 beschließen soll, um 13,3 Millionen Euro einzusparen. Darunter sind die Schließung des Hallenbads Nord, des Zimmertheaters, Einsparungen im Klimaschutz, Busverkehr, in der Flüchtlingsbetreuung, Jugendarbeit, Volkshochschule …
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