Feindbild Russland
Friedenskundgebung Tübingen 17.03.2025
Wir dokumentieren die Rede von Michael Schwarz, VVN-BdA Tübingen-Mössingen:
Russland, wieder heißt das Feindbild Russland – wie schon 1914, wie schon 1941. Jedes Mal war das Feindbild Russland verknüpft mit einem zweiten Feindbild. 1914 mit dem des Zarismus. Gegen den war sogar der alte Bebel bereit gewesen, ins Feld zu ziehen und seine Flinte zu schultern. Und 1941 mit dem Feindbild des – Achtung: Nazi-Terminologie! – „jüdisch-bolschewistischen Untermenschentums“. Heute geht es um Putin; er wird oftmals als Widergänger Hitlers dargestellt und Russland als quasi-faschistischer Staat. Gewiss, Russland wird autokratisch regiert und die dortige Propaganda ist ziemlich nationalistisch – aber faschistisch ist doch etwas anderes. Wer wüsste das besser als wir, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes? Kurz, heute steht wieder der Feind im Osten, gewissermaßen „europäische Werte“ gegen „asiatische Despotie“.
Wie plump aktuell die Propaganda ist, mag ein Beispiel illustrieren. Ich zitiere Jens Spahn, seines Zeichens Vize-Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, vor einigen Tagen in der FAZ. Angesprochen darauf, warum die CDU/CSU, anders, als noch im Wahlkampf bekundet, jetzt doch bereit sei, die „Schuldenbremse“ zu umgehen beziehungsweise teilweise aufzuheben – meinte er: „Wir wollen keine Schulden für den Konsum machen. Aber dass wir mehr für die Verteidigung machen müssen, steht doch außer Frage. Was nützt die schönste Schuldenbremse, wenn der Russe vor der Tür steht? [Nebenbei bemerkt: „Der Russe“ – diese Formulierung könnte direkt aus dem „Wörterbuch des Unmenschen“ stammen, sehr verräterisch ist da Spahns Sprache! Ich fahre fort im Zitat:] Wir Europäer haben doch zugespitzt nur zwei Möglichkeiten: Wir können uns verteidigen lernen oder alle Russisch lernen.“ Zitatende.
Dem stelle ich ein Zitat gegenüber von Professor Johannes Varwick, Politikwissenschaftler an der Universität Halle, beileibe kein Linker, kein Friedensbewegter wie wir, und die VVN war schon immer ein Teil der Friedensbewegung, aus einem Interview auf SWR Kultur vor zwei Wochen – Zitat:
„Ja, natürlich ist die Angst und Sorge vor Putin berechtigt, gar keine Frage, aber wir müssen doch mal die Kirche im Dorf lassen. Die NATO und der Westen und auch die Europäer sind alleine sehr viel stärker als Russland, sie geben jetzt schon sehr viel mehr Geld für Sicherheit aus, und ich halte es für eine verzerrte Wahrnehmung, dass man so tut, als ob sozusagen das strategische Ziel von Moskau wäre, erst die Ukraine zu überrennen, dann nach Polen weiterzumarschieren und morgen in Westberlin am Brandenburger Tor zu stehen. So ist ja die öffentliche Debatte im Moment, und das ist eine Karikatur eigentlich der russischen Interessenlage. Ich glaube, dass mit Russland ein Interessenausgleich möglich ist. Die Amerikaner versuchen das jetzt, und wir sollten das unterstützen und nicht mit Maximalforderungen verunmöglichen.“ Zitatende.
August Pradetto, ebenfalls ein Politikwissenschaftler, warnte wenig später im FREITAG vor einer massiven Aufrüstung in Europa und vor Panikkäufen von Waffen. Russland sei keine Gefahr mehr für die NATO. Pradetto, Professor an der Universität der Bundeswehr in Hamburg – paradox, wen die Friedensbewegung inzwischen als Kronzeugen bemüht – meint, Zitat: „Die russische Armee ist ausgeblutet. Laut BBC sind 220.000 russische Soldaten und 4.595 Befehlshaber in der Ukraine gestorben. Ein großer Teil des Materials, das Moskau für einen Landkrieg einsetzen konnte, ist vernichtet. Das heißt, der gesamte Kern der russischen Streitkräfte ist in diesem Krieg zerschlagen worden.“ Zitatende.
Pradetto meint, die russischen Streitkräfte befänden sich in der prekärsten Lage seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Als Bundeswehrprofessor hat er aber auch noch andere Argumente gegen die Aufrüstungspläne von BRD und EU: Er fragt, welchen Sinn es mache, Panzer zum Stückpreis von 20 oder 25 Millionen Euro zu kaufen, wo man die doch mit einer Drohne abschießen könne, die gerade einmal 350 Euro koste.
Aber das sind Argumente von Bundeswehrangehörigen. Wenn die aber in Russland keine Bedrohung sehen und vor der jetzt geplanten Aufrüstung warnen, was treibt dann Politiker wie Merz, Spahn und von der Leyen, Baerbock und Pistorius? Deren Vorgehen jedenfalls ist brandgefährlich.
Wir sagen: Schluss mit dem Morden, mit dem Töten! Schluss mit den Zerstörungen und Verheerungen! Ernsthafte Verhandlungen sofort! Keine Waffenlieferungen mehr an die Ukraine!
Und: Schluss mit dem Kauf immer neuer Waffen! Und vor allem: Schluss mit den Hochrüstungsplänen in BRD und EU! Keine Grundgesetzänderung! Wir wollen nicht noch einmal gen Osten ziehen! Schluss mit den alten Feindbildern, die in den letzten 120 Jahren schon zweimal ins Verderben, in einen Weltkrieg geführt haben!
Wir dokumentieren die Rede von Michael Schwarz, VVN-BdA Tübingen-Mössingen:
Russland, wieder heißt das Feindbild Russland – wie schon 1914, wie schon 1941. Jedes Mal war das Feindbild Russland verknüpft mit einem zweiten Feindbild. 1914 mit dem des Zarismus. Gegen den war sogar der alte Bebel bereit gewesen, ins Feld zu ziehen und seine Flinte zu schultern. Und 1941 mit dem Feindbild des – Achtung: Nazi-Terminologie! – „jüdisch-bolschewistischen Untermenschentums“. Heute geht es um Putin; er wird oftmals als Widergänger Hitlers dargestellt und Russland als quasi-faschistischer Staat. Gewiss, Russland wird autokratisch regiert und die dortige Propaganda ist ziemlich nationalistisch – aber faschistisch ist doch etwas anderes. Wer wüsste das besser als wir, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes? Kurz, heute steht wieder der Feind im Osten, gewissermaßen „europäische Werte“ gegen „asiatische Despotie“.
Wie plump aktuell die Propaganda ist, mag ein Beispiel illustrieren. Ich zitiere Jens Spahn, seines Zeichens Vize-Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, vor einigen Tagen in der FAZ. Angesprochen darauf, warum die CDU/CSU, anders, als noch im Wahlkampf bekundet, jetzt doch bereit sei, die „Schuldenbremse“ zu umgehen beziehungsweise teilweise aufzuheben – meinte er: „Wir wollen keine Schulden für den Konsum machen. Aber dass wir mehr für die Verteidigung machen müssen, steht doch außer Frage. Was nützt die schönste Schuldenbremse, wenn der Russe vor der Tür steht? [Nebenbei bemerkt: „Der Russe“ – diese Formulierung könnte direkt aus dem „Wörterbuch des Unmenschen“ stammen, sehr verräterisch ist da Spahns Sprache! Ich fahre fort im Zitat:] Wir Europäer haben doch zugespitzt nur zwei Möglichkeiten: Wir können uns verteidigen lernen oder alle Russisch lernen.“ Zitatende.
Dem stelle ich ein Zitat gegenüber von Professor Johannes Varwick, Politikwissenschaftler an der Universität Halle, beileibe kein Linker, kein Friedensbewegter wie wir, und die VVN war schon immer ein Teil der Friedensbewegung, aus einem Interview auf SWR Kultur vor zwei Wochen – Zitat:
„Ja, natürlich ist die Angst und Sorge vor Putin berechtigt, gar keine Frage, aber wir müssen doch mal die Kirche im Dorf lassen. Die NATO und der Westen und auch die Europäer sind alleine sehr viel stärker als Russland, sie geben jetzt schon sehr viel mehr Geld für Sicherheit aus, und ich halte es für eine verzerrte Wahrnehmung, dass man so tut, als ob sozusagen das strategische Ziel von Moskau wäre, erst die Ukraine zu überrennen, dann nach Polen weiterzumarschieren und morgen in Westberlin am Brandenburger Tor zu stehen. So ist ja die öffentliche Debatte im Moment, und das ist eine Karikatur eigentlich der russischen Interessenlage. Ich glaube, dass mit Russland ein Interessenausgleich möglich ist. Die Amerikaner versuchen das jetzt, und wir sollten das unterstützen und nicht mit Maximalforderungen verunmöglichen.“ Zitatende.
August Pradetto, ebenfalls ein Politikwissenschaftler, warnte wenig später im FREITAG vor einer massiven Aufrüstung in Europa und vor Panikkäufen von Waffen. Russland sei keine Gefahr mehr für die NATO. Pradetto, Professor an der Universität der Bundeswehr in Hamburg – paradox, wen die Friedensbewegung inzwischen als Kronzeugen bemüht – meint, Zitat: „Die russische Armee ist ausgeblutet. Laut BBC sind 220.000 russische Soldaten und 4.595 Befehlshaber in der Ukraine gestorben. Ein großer Teil des Materials, das Moskau für einen Landkrieg einsetzen konnte, ist vernichtet. Das heißt, der gesamte Kern der russischen Streitkräfte ist in diesem Krieg zerschlagen worden.“ Zitatende.
Pradetto meint, die russischen Streitkräfte befänden sich in der prekärsten Lage seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Als Bundeswehrprofessor hat er aber auch noch andere Argumente gegen die Aufrüstungspläne von BRD und EU: Er fragt, welchen Sinn es mache, Panzer zum Stückpreis von 20 oder 25 Millionen Euro zu kaufen, wo man die doch mit einer Drohne abschießen könne, die gerade einmal 350 Euro koste.
Aber das sind Argumente von Bundeswehrangehörigen. Wenn die aber in Russland keine Bedrohung sehen und vor der jetzt geplanten Aufrüstung warnen, was treibt dann Politiker wie Merz, Spahn und von der Leyen, Baerbock und Pistorius? Deren Vorgehen jedenfalls ist brandgefährlich.
Wir sagen: Schluss mit dem Morden, mit dem Töten! Schluss mit den Zerstörungen und Verheerungen! Ernsthafte Verhandlungen sofort! Keine Waffenlieferungen mehr an die Ukraine!
Und: Schluss mit dem Kauf immer neuer Waffen! Und vor allem: Schluss mit den Hochrüstungsplänen in BRD und EU! Keine Grundgesetzänderung! Wir wollen nicht noch einmal gen Osten ziehen! Schluss mit den alten Feindbildern, die in den letzten 120 Jahren schon zweimal ins Verderben, in einen Weltkrieg geführt haben!
friedensplenum - 17. Mär, 22:18