„Stoppt die Spirale der Gewalt im Nahen Osten!“

Unter diesem Motto fand am 13. Oktober 2023 in Tübingen eine Friedenskundgebung statt. Wir dokumentieren die Rede, die Heike Hänsel von der Gesellschaft Kultur des Friedens dort hielt:

Liebe Tübingerinnen und Tübinger,

ich bin heute zu dieser Kundgebung gekommen, um meiner Trauer und meinem Entsetzen über die vielen Menschen in Israel, mittlerweile über 1.200 zivile Opfer, die auf brutale Weise von der Hamas angegriffen und getötet wurden, Ausdruck zu verleihen. Dieser gezielte Angriff auf Zivilisten, auf Jugendliche, auf Familien, muss scharf verurteilt werden, es ist menschenverachtender Terror und ist auch nicht mit dem völkerrechtlich verbrieften Widerstandsrecht des palästinensischen Volkes vereinbar. Diese Bilder sind schwer zu ertragen, erst recht in Deutschland, dem Ort der Shoah. Und diese Gewalt erzeugt natürlich auch Existenzängste in Israel, das müssen wir ernst nehmen!

Ich bin auch hierhergekommen, um mein Entsetzen und meine Trauer auszudrücken über die in den letzten Tagen durch massive israelische Bombardierungen des Gazastreifens getöteten palästinensische Zivilisten, mittlerweile mehr als 2.200, und die verhängte Totalblockade von Wasser, Lebensmittel, Strom, Medikamenten gegen Gaza. Mehr als 2,3 Millionen Menschen, 40% davon Kinder, die ohne Möglichkeit der Flucht in Gaza gefangen sind, und jetzt vor einer israelischen Bodenoffensive stehen. Die Totalblockade der palästinensischen Bevölkerung und das Bombardieren von ziviler Infrastruktur bricht das humanitäre Völkerrecht und muss ebenso verurteilt werden. UN-Hilfsorganisationen und die WHO warnen schon jetzt vor einer humanitären Katastrophe. Angesichts dieser Situation stehen wir doch in der Verantwortung, unsere Stimme zu erheben und uns für ein Ende dieser Spirale der Gewalt einzusetzen, das Blutvergießen auf beiden Seiten muss sofort unter Vermittlung der Vereinten Nationen gestoppt werden! Denn diese Gewalt kann sich ja auch noch ausweiten auf die gesamte Region, es besteht die Gefahr eines Flächenbrands.

Ich war über viele Jahre immer wieder in Israel und in den besetzten palästinensischen Gebieten und ich habe die strukturelle Gewalt der seit 56 Jahren andauernden völkerrechtswidrigen israelischen Besatzung in Palästina gesehen, die Willkür und Repression der israelischen Armee mit jährlich vielen Toten Palästinensern, die Armut und Demütigungen, der massive Siedlungsbau und das Schwinden jeglicher Perspektive auf Frieden und einen eigenen palästinensischen Staat. Und seit Antritt der Netanyahu Regierung mit rechtsextremen Siedler-Parteien hat sich all das nochmals massiv verschärft, dass allein in diesem Jahr über 600 PalästinenserInnen in der Westbank getötet wurden. Human Rights Watch hat angeprangert, dass bereits das Jahr 2022 das tödlichste Jahr für palästinensische Kinder im Westjordanland seit 15 Jahren war und die israelische Armee nicht dafür zu Rechenschaft gezogen wurde, es herrscht Straflosigkeit. Diese Lebensrealität ist ein Nährboden für Radikalisierung und Hass, das weitgehende Schweigen der internationalen Politik, auch unserer Regierung, zur alltäglichen Gewalt der Besatzung, ist schlichtweg verantwortungslos. Die Gewalt begann eben nicht erst am 7. Oktober 2023, es ist ein gewaltvoller, Jahrzehnte währender Konflikt. Und wer zu Recht die Gewalt der Hamas verurteilt, darf zur Gewalt der israelischen Besatzung nicht schweigen! Dies dokumentieren ja auch zahlreiche UN-Resolutionen, die von Israel die sofortige und vollständige Beendigung aller Siedlungsaktivitäten und der Besetzung palästinensischer Gebiete verlangt.

Die israelische Armee will nun die Hamas, die sie als „menschliche Tiere“ bezeichnet hat, nach eigenen Angaben auslöschen, aber bringt das wirklich mehr Sicherheit für die Menschen in Israel und langfristig Frieden?

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es keine militärische Lösung in diesem Konflikt gibt, und dass Sicherheit für die israelische Bevölkerung nur dann erreicht werden kann, wenn es auch Sicherheit und ein würdiges Leben für Palästinenserinnen und Palästinenser gibt. Die Lebensinteressen aller Menschen in der Region müssen endlich respektiert und geschützt werden, es geht um einen gerechten Frieden, und dieser kann nur mit Verhandlungen erreicht werden! Die Politikwissenschaftlerin Muriel Asseburg hat es in einem Interview im „Schwäbischen Tagblatt“ Anfang dieser Woche gesagt: „Wir müssen differenziert auf die Lage schauen, auch um zu verstehen, was getan werden kann, um weiteres Blutvergießen zu verhindern und den Weg in eine friedlichere Zukunft zu unterstützen. Deshalb denke ich, ist es wichtig, den Kontext zu sehen, ein ungelöster Konflikt, die andauernde Besatzung, die Abriegelung des Gazastreifens. Und diesen Kontext einzubeziehen, relativiert nicht die Verurteilung der Kriegsverbrechen, die begangen werden.“

So denken auch viele mutige Friedens- und MenschenrechtsaktivistInnen in Israel, die Kultur des Friedens immer wieder unterstützt hat und die jetzt einen noch schwierigeren Stand haben und trotzdem die Bombardierungen Gazas kritisieren, auch sie benötigen unsere Solidarität. Wie oft haben hier in Tübingen auch gesprochen Felicia Langer, Reuven Moskovitz, Uri Avnera, die die Besatzung verurteilt haben, immer wieder vor großer Gewalt gewarnt haben. Ebenso haben wir Ismail Khatib unterstützt beim Aufbau eines Jugendzentrums in Jenin, der die Organe seines von israelischen Soldaten getöteten 6-jährigen Sohnes an israelische Kinder gespendet hat, das war eines der Zeichen der Hoffnung, die schon lange zunichte gemacht wurden.

Kolumbiens Staats- und Regierungschef Gustavo Petro appellierte an beide Seiten, »sich an einen Tisch zu setzen«, um über den Frieden zu verhandeln und die Existenz von zwei souveränen Staaten zu akzeptieren. Palästinensische Kinder könnten nur in Frieden schlafen, wenn israelische Kinder in Frieden schlafen, so wie israelische Kinder nur dann Frieden fänden, wenn palästinensische Kinder in Frieden schlafen könnten. Ein Krieg werde dies nie erreichen, sondern nur ein Friedensabkommen.

Ich fordere die Bundesregierung, die EU und die Vereinten Nationen auf, sich an ihre eigenen Resolutionen und Beschlüsse zu halten und sich für ein Ende der Besatzung und Blockadepolitik und für eine gerechte Friedenslösung im Nahen Osten einzusetzen! Ich schließe mich der Forderung nach einem Stopp aller Waffenlieferungen in die Region an. Es ist zynisch zu sehen, dass die einzige Gewinnerin wieder die Rüstungsindustrie ist; deren Aktienkurse stiegen die vergangenen Tage wieder um 10-12% an.

Es ist in unser aller Verantwortung, Israel/Palästina nun beständig auf die Tagesordnung zu setzen und nicht länger zu schweigen. Solidarität mit der israelischen und palästinensischen Zivilbevölkerung – Die Waffen nieder!

Und die Toten?

Wir dokumentieren ein Gedicht zum Ukrainekrieg von Pfarrer i.R. Götz von Viebahn, Tübingen, aus dem "Schwäbichen Tagblatt" vom 12.9.2023:

Töten

Töten

Töten

Noch mehr Töten

Ist geboten!

Verhandeln?

Ist verboten!

Und die Toten?

Sind wir Idioten?

Keine Gewinner

Unter dieser Überschrift veröffentlichte das "Schwäbische Tagblatt" am 12.9.2023 einen Leserbrief von Jens Rüggeberg zur Abgeordnetenspalte„Die Ukraine muss gewinnen“(1. September) von AnnetteWidmann-Mauz (CDU):

Die Ukraine müsse diesen Krieg gewinnen, schlussfolgerte die Abgeordnete am Antikriegstag und forderte mehr Waffen und Aufrüstung. Denn der Tod Prigoschins zeige, dass es „mit Putin keinen Frieden in der Ukraine geben“ werde. Seltsame Logik – und zudem falsch: Im Frühjahr 2022 war ein Waffenstillstand zum Greifen nahe; er scheiterte an einer Intervention Boris Johnsons in Kiew. Seither gab es eine sechsstellige Zahl von Toten, und weite Teile der Ukraine sind komplett zerstört.

Der Krieg ruiniert offensichtlich nicht Russland, sondern die Ukraine. Gewinnen kann die Ukraine den Krieg auch nicht. Deren – offensichtlich steckengebliebene – Sommeroffensive zeigt das. Biden wird sich diesen Krieg jedenfalls spätestens mit Beginn seines Wahlkampfs nicht mehr leisten können und muss bald ein Ausstiegsszenario entwickeln. Was heißt überhaupt gewinnen? Bereits ein Drittel der Ukraine soll vermint und auf Dauer unbewohnbar sein. Der örtlichen Bevölkerung kann es egal sein, wer die Minen verlegt hat. Und im Osten der Ukraine, wo Kiew schon seit 2014 Krieg führt, dürfte das Grundwasser inzwischen überall verseucht sein, wegen der „abgesoffenen“ Kohlebergwerke. Kriege kennen keine Gewinner.

Kundgebung zum Antikriegstag in Tübingen

1. September 2023, 17 Uhr auf dem Holzmarkt

Verschiedene Gruppen und Organisationen rufen auch in diesem Jahr in Tübingen zu einer Kundgebung zum Antikriegstag auf. Sie fordern im Hinblick auf den Ukraine-Krieg „Waffenstillstand statt Waffenlieferungen“ und ganz grundsätzlich „Abrüstung statt Aufrüstung“ sowie „große Investitionen in Ökologie und Soziales“.

Reden werden u.a. von Vertreter*innen der Informationsstelle Militarisierung (IMI e.V.), dem Frauenverband Courage, der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN-BdA) und dem Tübinger offenen antikapitalistischen Klimatreffen (TOAKT) gehalten. Zur Kundgebung rufen darüber hinaus auf: das offene Treffen gegen Faschismus und Rassismus (OTFR), die Gesellschaft Kultur des Friedens (GKF), das Tübinger Friedensplanum/Antikriegsbündnis, die Friedenmahnwache und die Kommunistische Organisation (KO).

Der Antikriegstag (auch Weltfriedenstag) erinnert an den deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939, dem Beginn des Zweiten Weltkriegs in Europa. Er wird seit Jahrzehnten in vielen deutschen Städten begangen. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund ruft bundesweit zur Teilnahme an entsprechenden Kundgebungen auf. Unter dem Motto „Die Welt braucht Frieden“ heißt es in dort u.a.:

„Wir warnen aber eindringlich vor dem Irrglauben, immer mehr Waffen für die Ukraine würden zu einem schnelleren Ende des Krieges führen. Und wir warnen vor der einseitigen Fixierung der Debatte auf Waffenlieferungen und ein Denken in den Kategorien ‚Sieg‘ oder ‚Niederlage‘. Wir fordern die Bundesregierung auf, ihr Handeln stärker auf friedliche Ansätze zur Konfliktlösung zu fokussieren: Haben Sie den Mut, mehr Diplomatie zu wagen!“

Veranstaltungsflugblatt:

Flyer-Antikriegstag-2023-Vorderseite (pdf, 170 KB)

Flyer-Antikriegstag-2023-Rueckseite (pdf, 319 KB)

War and Nonviolent Intervention

Tracking Russia-Ukraine conflict escalation and finding possible ways to peace

8. August 2023

von Yurii Sheliazhenko

mit einem Kommentar von Friedrich Glasl

Dokumentation auf der Homepage der Zeitschrift "Wissenschaft und Frieden":

https://wissenschaft-und-frieden.de/blog/sheliazhenko-war-nonviolent-intervention/

Pazifismus ist kein Verbrechen

Ukraine: Lassen Sie die Anklage gegen Yurii Sheliazhenko fallen!

Wir dokumentieren einen Aufruf von Connection e.V., EBCO, WRI und Internationalem Versöhnungsbund (IFOR)

Weitere Infos unter https://de.Connection-eV.org/article-3834

Petition an die ukrainische Regierung:

https://worldbeyondwar.org/de/tell-the-ukrainian-government-to-drop-prosecution-of-peace-activist-yurii-sheliazhenko/


Das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO), War Resisters’ International (WRI), der Internationale Versöhnungsbund (IFOR) und Connection e.V. (Deutschland) verurteilen aufs Schärfste die Tatsache, dass Yurii Sheliazhenko, Geschäftsführer der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung, von der ukrainischen Regierung formell des Verbrechens der "Rechtfertigung der russischen Aggression" angeklagt wurde. Als einziger "Beweis" wird dafür die Erklärung der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung angeführt, die auf dem Treffen zum Internationalen Tag des Friedens am 21. September 2022 mit dem Titel "Friedensagenda für die Ukraine und die Welt" beschlossen wurde. Darüber hinaus wird in der Erklärung die russische Aggression ausdrücklich verurteilt (https://worldbeyondwar.org/peace-agenda-for-ukraine-and-the-world/ ).

Wir sind alle schockiert darüber, dass der ukrainische Sicherheitsdienst am 3. August 2023 in die Wohnung von Yurii Sheliazhenko eingebrochen ist und eine illegale Durchsuchung durchführte. Dabei wurde nichts Kriminelles gefunden. Trotzdem wurde sein Telefon, sein Computer sowie einige Dokumente der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung beschlagnahmt. Wir protestieren aufs Schärfste gegen die Schikanen gegen Yurii Sheliazhenko. Er wurde für den 7., 8. und 9. August 2023 zum Verhör vorgeladen.

Wir erinnern die ukrainische Regierung daran, dass Pazifismus kein Verbrechen ist. Wir fordern, dass die Anklage gegen Yurii Sheliazhenko unverzüglich fallen gelassen wird und dass die Menschenrechte in vollem Umfang geschützt werden, einschließlich des Rechts auf freie Meinungsäußerung und des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung, das dem Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit innewohnt, das unter anderem in Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie in Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) garantiert wird und das auch in Zeiten des öffentlichen Notstands nicht außer Kraft gesetzt werden kann, wie in Artikel 4 Absatz 2 des ICCPR festgelegt.

Yurii Sheliazhenko ist ein bekannter Kriegsdienstverweigerer, Pazifist, Menschenrechtsverteidiger und Rechtsanwalt. Wir verurteilen aufs Schärfste alle Schikanen und Einschüchterungsversuche gegen ihn und die Ukrainische Pazifistische Bewegung sowie alle Fälle von Zwangsrekrutierung und Entführung von Wehrpflichtigen für die am Krieg in der Ukraine beteiligten Armeen und alle Verfolgungen von Kriegsdienstverweigerern, Deserteuren und gewaltlosen Kriegsgegner*innen.

Wir unterstützen die Forderung von EBCO nach einem Treffen mit dem Präsidenten der Ukraine in Kiew am Montag, den 7. August 2023, um unsere Bedenken und Empfehlungen zu besprechen, auch im Rahmen unserer gemeinsamen #ObjectWarCampaign: Russland, Belarus, Ukraine: Schutz und Asyl für Deserteure und Verweigerer.

Wir bitten um Unterstützung der Petition für Yurii Sheliazhenko an die ukrainische Regierung, die von World BEYOND War vorbereitet wurde: https://worldbeyondwar.org/de/tell-the-ukrainian-government-to-drop-prosecution-of-peace-activist-yurii-sheliazhenko/

Für Interviews stehen zur Verfügung:

Alexia Tsouni, European Bureau for Conscientious Objection (EBCO), ebco@ebco-beoc.org, www.ebco-beoc.org
Semih Sapmaz, War Resisters’ International (WRI), semih@wri-irg.org, www.wri-irg.org
Christian Renoux, International Fellowship of Reconciliation (IFOR), christian.renoux@univ-orleans.fr, www.ifor.org
Rudi Friedrich, Connection e.V., 069 82375534, office@Connection-eV.org, www.Connection-eV.org
Yurii Sheliazhenko, Ukrainian Pacifist Movement, yuriy.sheliazhenko@gmail.com, http://pacifism.org.ua/
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Friedensplenum/ Antikriegsbündnis Tübingen e.V.

Nächste Treffen

Wir treffen uns normalerweise an jedem ersten Montag eines Monats um 19:30 im Clubraum im 1. Stock des Adolf-Schlatter-Hauses, Österbergstr. 2 in Tübingen.

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Bundesweite Zusammenschlüsse der Friedensbewegung:

Informationsstelle Militarisierung e.V., Tübingen

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